Woche 3: Die monastische Lebensweise

Liebe Leserin, lieber Leser,

herzlich willkommen zurück auf der Seite meines Klosterblogs.

Heute möchte ich neben allwöchentlichen Eindrücken ein paar persönliche Gedanken zur monastischen Lebensweise mit dir teilen. Ich bin nun seit circa drei Wochen hier und hatte Gelegenheit, mich im Klosterleben zu üben und mich damit näher auseinanderzusetzen.

Zunächst einmal gab es diese Woche keine großen Veränderungen, was den Ablauf des Tages anbelangt. Das Gebet gibt die Struktur des Tages vor, der sich im Rhythmus von Gebet und Arbeit gestaltet. Zwischen Laudes, Konventamt, Vesper und Komplet verrichte ich alleine oder zusammen mit Oliver Arbeiten am Laptop und in der Schreinerei. Einziges Novum war das Ministrieren bei der Vesper am gestrigen Samstag: Mit Leuchtern haben ich und Frater Benno Maria die Prozession zur Gnadenkapelle angeführt.

Auch diese Woche war ich wieder auf dem Klostergelände unterwegs, auf dem es immer noch viel zu entdecken gibt. Eine Attraktion sind definitiv die „Tierchen“, vor allem die Pferde, welche im Innenhof der Nebengebäude sowie im Marstall anzutreffen sind. Die meisten von ihnen sind „Einsiedler“ Pferde, eine Pferderasse, die auch als Schweizer Warmblut bezeichnet wird. Das Kloster ist seit langer Zeit bekannt für die Pferdezucht. Heute führt ein Unternehmen den Betrieb des Marstalls. Eine große Reithalle zum Dressurtraining ist ebenfalls vor Ort.


Einsiedler Stute Elvira

Auch sehe ich ab und zu Katze Heidi in ihrer „Warmbox“ auf der Heizung in der Klausur. Sie kann von außen, dem Fratergarten aus, durch eine Katzenklappe in die Box, um sich zu wärmen. Damit sie nicht in der Klausur herumstreunt, wird die Box nur zum Füttern oder Streicheln geöffnet. Ihre Zuständigkeit ist klar: Sie soll Mäuse auf dem Klostergelände fangen.


Katze Heidi in "Warmbox"

Ansonsten beschäftigt mich privat Organisatorisches: Die Buchung der Reise nach Fleury steht an, da die Abreise im Mai sein wird: Von Zürich wird es über Paris mit dem TGV nach Orléans gehen und dann weiter mit dem Bus in die Abtei. Solange ich noch in Einsiedeln bin, wollen Freunde und Verwandte an den nächsten Wochenenden hierherkommen, weswegen ich Zimmer und Übernachtungen buche.

Wettermäßig kam leider der Winter zurück: Anfang der Woche hat es geschneit, was hier für diese Jahreszeit nicht ungewöhnlich ist, gilt die Gegend doch bis April als schneereich. Wenn die Sonne nun scheint, erstrahlt der Himmel in blau und die Landschaft in hellem weiß.


Marstall und Werkstätten in weiß

Nach nunmehr drei Wochen merke ich: Ein Klosterleben ist eines in der Welt und zugleich nicht von der Welt (vgl. Joh 17, 11-18). Einerseits fühle ich, wie mich die Ordnung und Einhegung des Tages durch das Gebet trägt, andererseits nimmt ein Gefühl von „außerhalb der Welt sein“ zu. Ich nehme wahr, wie schnell durch diesen Strukturrahmen die Zeit vergeht. Durch „Angelpunkte“ mit der Außenwelt verbunden zu bleiben erscheint mir essenziell, was rein physisch gar nicht so einfach ist, wenn man den kompletten Tag im Kloster lebt und arbeitet. Heute gibt es meines Erachtens keine strenge Klausur mehr, in dem Sinne, dass ausschließlich Mönche dort hineindürfen. Aber ich frage mich, wie das früher gewesen sein mag: Ob es dann tatsächlich diejenigen diesseits und jenseits des Lettners gab, ohne große Berührungspunkte zur Außenwelt? Der andere Klosterzeitler Oliver verlässt jeden Tag nach Feierabend bewusst das Kloster, um Sport zu treiben. Vielleicht wäre das auch etwas für mich…

Insgesamt scheint mir das Klosterleben dem Gang in eine innere Wüste zu gleichen, bei dem man nicht immer weiß, was einen erwartet: Ein Skorpion oder eine Oase? Innerlich wird man von den Alltäglichkeiten der Welt ein Stück weit „entleert“. Neu erfüllt werden kann man durch das Ruminieren, dem wiederholten Sprechen und Singen der Psalmen, die als immerwährendes Gebet (1 Thess 5,17) im Inneren erklingen und sich auf das äußere Tun und Handeln ausweiten können. So die Theorie. Was ich bis jetzt tatsächlich wahrnehmen konnte: Die rahmende Einsamkeit und Stille des Mönchslebens öffnet innerlich und gibt Raum für Gott. Ich denke aber, dass es an Tagen mit übervollem Programm hilfreicher sein kann, einmal weniger zu beten, dafür aber mit mehr innerer Anteilnahme. Es geht ja letztlich nicht um die stupide einzuhaltende Routine, sondern um Nachfolge und Hingabe in einer bestimmten Intensität, die ein Leben im Kloster ausmacht.

Zur Stille als äußerer Rahmen: Die französische Mystikerin Madeleine Delbrêl bezeichnet die Stille als Sprache des Geistes und Urstoff des Betens: Sie ist Antwort auf das Geheimnis Gottes in seiner Unendlichkeit und ermöglicht Wachheit und Lebendig-Sein. Sie „öffnet die Aufmerksamkeit für die Welt, für das Geheimnis des Menschlichen, für das Geheimnis des Göttlichen [...]. [Stille] bahnt dem Wahrnehmen [und] dem Erkennen Wege. – [Stille] ist eine Frucht des Schweigens; umgekehrt bringt [Stille zum] Schweigen.“ Stille ist also ein Wegbereiter dieser Reise nach innen. Nur allzu verständlich, warum sie die Mönche halten.

Dazu eingefallen ist mir auch das Gedicht von Silja Walter alias Sr. M. Hewig, einer bereits verstorbenen Benediktinerin des Klosters Fahr am Stadtrand von Zürich. Sie fasst in ihrem Gedicht Gebet des Klosters am Rand der Stadt die Bedeutung der Stille und des Wachens in den kontemplativen Orden:

Herr,

und jemand muss dich aushalten,

dich ertragen,

ohne davonzulaufen.

Deine Abwesenheit aushalten,

ohne an deinem Kommen

zu zweifeln.

Dein Schweigen aushalten

und singen.

Nonnen und Mönche halten diese Spannung des Schon jetzt und Noch Nicht, des anbrechenden Reiches Gottes und der Sehnsucht nach Vollendung, durch ihr immerwährendes Gebet und Schweigen aufrecht, könnte man sagen.

Neben diesem Gedicht ist mir diese Woche außerdem ein Text über den Weg gelaufen, der gut beschreibt, was ich während meiner Klosterzeit suche. Warum ich mich überhaupt ins Kloster begebe und stattdessen nicht eine mehrmonatige Weltreise mache, haben mich einige gefragt. Dazu sei gesagt: Ich habe nichts gegen äußere Reisen. Reisen an fremde Orte können sehr inspirierend und bereichernd sein. Nur ist es wohl eine andere Art zu reisen, die mich neugierig werden ließ. Dieser Text von Bernhard von Clairvaux bringt es treffend zum Ausdruck:

Du musst nicht über Meere reisen,

musst keine Wolken durchstoßen

und musst nicht die Alpen überqueren.

Der Weg, der dir gezeigt wird, ist nicht weit.

Du musst deinem Gott nur

bis zu dir selbst entgegengehen.

Dies ist ebenfalls eine gute Beschreibung dessen, worum es im klösterlichen Leben geht: Das Beschreiten eines inneren Weges, das Sich-Aufmachen zu einer Reise hin zu mir selbst und Gott durch das bewusste Zurücktreten von der Welt. Ich hoffe, einen Hauch dieser Erfahrung auf meiner mehrmonatigen Reise machen zu dürfen. So Gott will. In diesem Sinne wünsche ich euch allen einen schönen Sonntag!

Bis zum nächsten Mal!

Raphael

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