Woche 24: Ein Hoch auf die Niederländer

Liebe Leserin, lieber Leser,

gerne berichte ich euch von vergangener Woche, die einerseits im Zeichen des bevorstehenden Aufbruchs stand, andererseits ein vertrautes Gesicht bekommen hat, nachdem mich am Wochenende eine Freundin besucht hat, die ich seit Kindstagen kenne. Doch beginnen wir von vorne:

Die dieswöchigen, ersten Aufnahmen meiner Handykamera subsumieren sich unter dem Datum des 31. Juli, dem Mittwoch: Auf dem Weg zum Abendessen habe ich das Glasfenstermosaik im Kreuzgang fotografiert, welches die Mutter Gottes mit Jesuskind darstellt. Ein tatsächlich schönes Kunstwerk, gerade wenn das Sonnenlicht die Glaswürfel flutet. Dann leuchtet sie dem eintretenden Mönch oder Gast entgegen:

Kunst der Sechzigerjahre kann schön sein. Das beweist auch der Blick ins Refektorium, von welchem ich ebenfalls ein Foto machen konnte:

Auf den Nachmittag desselben Tages lassen sich weitere Aufnahmen datieren. Da mir Theophan aufgrund des heißen Sommerwetters spontan angeboten hat, bei der Arbeit in der Porzellanerie mitzuhelfen, die im kühlen Untergeschoss des Klosterbaus verrichtet wird, habe ich die Gelegenheit sogleich ergriffen, mein Handy zu zücken:

Es handelt sich um von Pater Jaques entworfene „Mönchscomics“, die von einer Firma als Abziehbilder multipliziert werden. Wenn sie in Kontakt mit Wasser geraten, lösen sie sich vom Papier und man kann damit Porzellangeschirr bekleben.

Das nächste Foto der Woche zeigt mich und meinen Besuch Lisa einen Tag später am Rande eines Maisfeldes. Bereits am Mittwoch war sie nach Orleans gekommen, um ein paar Tage Urlaub zu machen und den olympischen Spielen in Paris beizuwohnen. Am Donnerstag haben wir uns das erste Mal in Saint-Bernoit-sur-Loire getroffen, um einen Spaziergang an die Loire zu machen. Dabei entstand folgendes Foto:

Den darauffolgenden Freitag war wiederum ein Jour-de-desert, ein Wüstentag, an dem die Mönche nicht arbeiten. Wie bereits Tradition haben ich und Theophan uns zum Baden an die Loire begeben, gefolgt von einem kleinen Spaziergang. Auf dem Friedhof knipste ich dieses Foto:

Es zeigt das Grab von Max Jakob, einem Dichter und Maler, der zu Beginn des zwanzigsten Jahrhunderts von der Bretagne nach Saint-Bernoit-sur-Loire zog, um dort ein Künstler- und Oblatenleben zu führen. Zum damals verlassenen und verfallenen Kloster und zur Klosterkirche, die damals als Pfarrkirche genutzt wurde, hatte er eine besondere Beziehung: Der Ort übte eine Anziehung auf ihn aus, sodass er sich dauerhaft dort niederließ. Jüdischen Ursprungs konvertierte er bald zum katholischen Glauben, den er regelmäßig praktizierte. In seinen Tagebüchern schreibt er auch über Visionen von Engeln und göttlichen Eingebungen. Sein Vermächtnis ist breit gestreut: So hat er viele Gedichte verfasst, Briefe geschrieben und der surrealen Malerei stilistisch den Weg geebnet. Er wurde Opfer der Nazi-Ideologie, starb aber den Märtyrertod nach freier Entscheidung, da er die Möglichkeit zur Flucht und des Untertauchens hatte. Kurz vor seiner Deportation ins KZ verstarb er in Drancy bei Paris und wurde nach dem Krieg auf den Friedhof von Saint-Benoit-sur-Loire umgebettet. Dass Max Jakob jüdischen Ursprungs war, kann im Foto an dem Umstand, dass viele kleine Steine auf seinem Grab liegen, erkannt werden: Ein Großteil seiner Verwandten und Freunde hat, während sie an den Verstorbenen dachten, einen kleinen Stein auf dessen Grabplatte gelegt, was einem jüdischen Brauch entspricht.

Besonders kreativ finde ich, was ich auf einem deutschen Friedhof noch nie erspähen konnte: Das Grab neben Max Jakob ist mit Blumen aus einem bemalten porzellanartigen Material verziert. Ein echter Hingucker und wahrscheinlich sehr pflegeleicht:


Nach Besichtigung der Gräber ging es zurück in die Abtei. Diesmal auf einem Feldweg, der eine neue, unbekannte Perspektive auf die Klosterkirche eröffnete:


Der Samstag stand wiederum ganz im Zeichen des Besuchs von Lisa. Nachdem sie den Freitag in Paris mit dem Schauen von Handballspielen verbracht hatte, entschieden wir uns nach ihrer erneuten Ankunft in Saint-Bernoit-sur-Loire für eine Fahrradtour, die uns in das euch bereits bekannte Saint-Germiny-de-Pre führte. Auf dem Rückweg kamen wir an einer Reitschule vorbei, wo ein paar Ponys auf einem Feld grasten:

Meine Freundin Lisa hatte, was ihre Abfahrt am Sonntagvormittag anbelangt, richtig Glück: Da der Bus wider Erwarten sonntags erst am Nachmittag von Saint-Benoit-sur-Loire Richtung Orleans abfährt, haben wir kurzerhand entschieden, abfahrende Camper auf dem nahegelegenen Campingplatz zu fragen, ob es jemanden gäbe, der noch vormittags Richtung Norden abfährt. Ansonsten hätte Lisa keine Chance gehabt, noch sonntags nach Deutschland zurückzukommen. Glücklicherweise fand sich ein nettes, älteres Ehepaar aus den Niederlanden, das noch einen Platz im Wohnmobil freihatte und sich bereit erklärte, Lisa ein Stück bis vor Paris mitzunehmen und an einen Bahnhof abzusetzen. Dazu sprachen sie noch recht gut Deutsch. Kann das Zufall sein? Manchmal empfängt man die Gnaden, die man braucht! Noch am Vortag haben ich und Lisa uns bei einem Glas Wein in einer Gaststätte über betrunkene Niederländer am Nebentisch ausgelassen. Zwölf Stunden später haben uns andere Niederländer aus der Patsche geholfen. Deswegen: Proost, op uw gezondheid! Ein Hoch auf die Niederländer!

Ebenfalls am Sonntag nach dem Mittagessen habe ich mich gefreut, zum Nachmittagskaffee der Mönche eingeladen worden zu sein. In dieser Runde konnte ich bereits ein wenig Abschied von den Mönchen nehmen wie ich es in einem Brief an die Gemeinschaft diese Woche bereits getan habe.

Die kommende Woche wird ebenfalls im Zeichen des Abschieds stehen. Den nächsten und letzten Eintrag des wöchentlichen Blogs werde ich bereits von Deutschland aus schreiben!

Bis dahin Gottes Segen! Eine gute Woche wünscht euch allen

Raphael

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Herzlich willkommen!

Woche 2: Aus Zauber wird Routine

Woche 3: Die monastische Lebensweise