Woche 23: St. Germigny-des-Pres et Chateauneuf-sur-Loire

Liebe Leserin, lieber Leser,

hinter mir liegt eine ereignisreiche Woche:

Um sich auszukurieren, hat meine Mutter erst diesen Montag das Kloster wieder verlassen. Am Wochenende konnte sie so noch eine spirituelle Zeit verbringen.

Der Abwechslung halber bekam ich am selben Tag einen neuen Arbeitsauftrag: Zusammen mit Theophan und Pfadfindern ging es auf einem Traktor mit Anhänger zum Auflesen von geschnittenem Holz in den Garten, welches wir dann in ein nahegelegenes Gehöft transportieren, um es für den Winter in einer Scheune anzuhäufen. Dort gibt es ähnlich wie in Einsiedeln ein Quartier für Jugendgruppen. Das gemächliche Fahren durch diese von Grün strotzende Landschaft war jedenfalls ein Highlight. Größere Räume und Säle der Abtei wie der Aufenthaltsraum der Hotellerie oder das Refektorium werden im Winter mit Schnittholz beheizt. Anschließend erzählte Pere Pierre Marie bei Kuchen und Softdrinks den Pfadfindern von seiner Berufungsgeschichte. Bereits als junger Mann wollte er Missionar werden und hat in St. Benoit-sur-Loire eine spirituelle Auszeit gemacht. Nach einem sechswöchigen Abenteuer in der Wildnis der Alpen hat er sich schließlich für den Weg des Mönchtums entschieden.

Dienstags führte ich meine gewohnte Aufgabe, das Kürzen von Büschen und Hecken im Garten, fort. Meinen Part im Obsthain übernahm diese Woche ein anderer Gast.

Die Basilika St. Benoit machte diese Woche bauliche Fortschritte. So wurde das Behelfsdach des Glockenturms mit einem Kran abgehoben, um neue Dachbalken aus Eiche auf das Steinplateau zu heben. Das morsche und alte Holz wurde teilweise heruntergehoben. Dieses Spektakel anzusehen war ein Augenschmaus. Um möglichst schnell fertig zu werden, zogen sich die Hebearbeiten bis spät abends hin, da die Miete dieses Spezialkrans wohl hoch ausfällt.



Hebekran mit Dachbalken aus Eichenholz

Den Donnerstag verbrachten die Peres und Freres mit Wandern: Ihre Promenade annuelle führte sie nach Aubigny-sur-Nere, circa vierzig Kilometer südlich von St. Benoit. Das Besondere dieses Dorfes, so Pere Pierre Marie, liegt in der baulich schottischen Aufmachung. Als Dank für ihren Beistand im hundertjährigen Krieg schenkte der französische König Karl VII. dem verbündeten Lord Stuart of Darnley die Herrschaft über die Siedlung. Seitdem sind dort Kilts und Dudelsäcke nicht mehr ungewöhnlich und werden alljährlich zur Fete Franco-Ecossaises herausgeholt.

Den gestrigen Samstag habe ich genutzt, um eine Radtour nach St. Germigny-de-Pres und Chateauneuf-sur-Loire zu unternehmen. In Germigny-de-Pres habe ich mir das Oratorie Carolingien, eine Palastkapelle des ehemaligen Abtes von Fleury und Bischofs von Orleans Theodulf aus dem achten Jahrhundert, angesehen. Ein sehr altes Mosaik im byzantinischen Stil ziert die Apsis. Es stellt zwei Engel dar, die auf die Bundeslade zeigen. Mittig über dieser ragt aus dem Himmel eine Hand mit Wundmal, die Hand Jesu. Seine ist die Hand Gottes, die den Bund Israels erneuert und die Prophezeiung erfüllt.


Oratorie carolingien von innen und außen

Das Chateau von Chateuneuf-sur-Loire wartet im Moment mit einem Dorffest auf: Buden, Bühnen und Läden wurden aufgebaut. Attraktionen wie Autoscooter und Kleinvieh erwarten die Besucher. Aus Zeitgründen habe ich mir das Innere des Chateaus nicht angesehen, welches ein Marinemuseum beherbergt.


Chateau mit Buden

Loireschleife auf dem Rückweg

Innerlich bin ich wieder voll im „kontemplativen Alltag“ des Klosters angekommen. Die Tage, die ich hier noch verbringen werde, sind allerdings gezählt: In nicht einmal zwei Wochen geht es zurück nach Deutschland und damit in den allgemeinen Trubel der Welt, auch wenn ich Ende August noch ein paar „Abschluss- und Reflexionstage“ in Einsiedeln verbringen werde. Gerade deswegen will ich ein wenig lauschen und das „Ohr meines Herzens neigen“ wie es in der Benediktregel heißt. 

Diese Woche war außerdem das Fest des Heiligen Johannes Cassian. Als einer der Väter des hesychastischen Gebetes – von griechisch hesychia, die Ruhe – ist er einer der Pioniere des Jesusgebetes. In seinen Schriften hat er diese Gebetsweise der Wüstenväter tradiert und systematisiert, sodass sie im Westen ihre erste Ausbreitung fand. Durch das beständige Ruminieren des Gottesnamens kann der Beter eine tiefgreifende Beziehung aufbauen. Um aufzuzeigen, wie ein Verweilen in der Präsenz Gottes im Gebet gelingen kann, bedient sich Johannes Cassian unter anderem des Beispiels des Bogenschießens:

„Wer vor einem König dieser Welt seine Meisterschaft im Bogenschießen unter Beweis stellen will, der visiert das winzige Zentrum der Scheibe an, worauf der Preis abgebildet ist. Das versucht er mit seinem Pfeil zu durchbohren, weil er weiß: Diesen Zielpunkt muss ich treffen, um zu erreichen, was ich bezwecke: den Preis. So ist auch für uns das Ende des geistlichen Weges (sein sinngebender Zweck) das ewige Leben. Das Reich Gottes ist der Endzweck von allem, Endzweck auch des geistlichen Lebens. Das Reich Gottes ist das Fernziel. Welches ist dann aber sozusagen das Nahziel? Nahziel ist das, was man beständig im Visier behalten muss. Nahziel ist die Reinheit des Herzens (die Liebe). Auf dieses Nahziel müssen wir den Blick fixieren, dann laufen wir nämlich wie auf einer ganz geraden Linie, auf einer Zielgeraden. Auf dieses Nahziel muss die ganze Spannkraft der Seele gerichtet sein. Sollte unser Denken doch einmal, wenn auch nur ein wenig, von dieser Zielgeraden abirren, dann kehren wir sofort zur Kontemplation unseres Nahziels zurück und korrigieren unseren Lauf nach seiner Norm.“

Zu dieser Passage aus den Collationes Patrum passt auch gut folgendes Bibelwort aus dem Johannesbrief, mit dem ich für heute schließen will: „Wir haben die Liebe, die Gott zu uns hat, erkannt und gläubig angenommen. Gott ist Liebe, und wer in der Liebe bleibt, bleibt in Gott und Gott bleibt in ihm.“ (EU, 1 Joh 4,16)

In diesem Sinne euch allen ein frohes Weitergehen!

Bis zum nächsten Eintrag! Herzlich!

Raphael

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