Woche 4: Berufungsgeschichten

Liebe Leserin, lieber Leser,

schön, dass du wieder dabei bist. Wie jede Woche will ich dir von meinen alltäglichen Eindrücken aus dem Klosteralltag berichten. Heute will ich außerdem etwas zum Thema „Berufung“ zum Klosterleben schreiben.

Zunächst einmal gab es diese Woche für mich – was die Arbeit betrifft – neue Aufgabenfelder: Dazu gehört der Sakristandienst, der die Reinigung des Chorgestühls, des unteren Chors, der Magdalenen- und Beichtkapelle, beinhaltet. Dabei habe ich ein paar Mitarbeiter kennenlernen dürfen: Beat, Thomas und Marco sind engagiert und bereits mit den Vorbereitungen für die Heilige Woche beschäftigt. Diese beinhaltet eine Grundreinigung aller Eingänge, für die sie – damit sie auch überall hinkommen – ein Aluminiumgerüst zusammengesteckt haben.

Chorgestühl des unteren Chors

Außerdem habe ich von Pater Philipp den Auftrag bekommen, anlässlich des Wolfgangsjahres 2024 einen Artikel über den Heiligen für die Website zu verfassen. Das Witzige daran ist, dass ich im Bistum Regensburg aufgewachsen bin, wo Wolfgang Bischof war und bis heute als Diözesanheiliger verehrt wird. Bevor er zur Mission nach Ungarn und später nach Regensburg aufbrach, wurde Wolfgang in Einsiedeln zum Priester geweiht, weswegen er neben Meinrad und Benno eine wichtige historische Figur für das Kloster ist. Um den Artikel zu verfassen, habe ich mir gestern einige Bücher aus dem Magazin der Stiftsbibliothek ausgeliehen, wo mir Pater Justinus freundlicherweise eine Einführung in die Räumlichkeiten und das richtige Vorgehen beim Ausleihen von Büchern gab.

Ansonsten war ich einmal mit Oliver zusammen abends in Bruder Alexanders Büro, wo wir einen Quittenschnaps getrunken haben. Überrascht hat mich dabei, dass es tatsächlich ein „echter“ Elefantenfuß ist, der auf der Kommode steht. Er ist wohl ewig alt – heute könnte so etwas nicht mehr eingeführt werden – und zeigt doch die internationale Vernetzung der Abtei mit anderen Klöstern: Bruder Alexander erzählt von einer Neugründung in Sri Lanka, die sie unterstützen. Ebenfalls mit ihm war ich gestern bei schönem Wetter eine Runde spazieren und er hat einiges zu Umland und Umgebung des Klosters erklärt: Das Kloster verpachtet Weideland und Gebäude für die Landwirtschaft an Bauern. Der Sihlsee ist ein künstlicher Stausee zur Stromgewinnung. Er wird von einer Staumauer an seinen Ufern gehalten. Ein Hügel in der Ferne ist auch als Galgenchapelli bekannt. Dort wurden früher unter der Gerichtsbarkeit des Abtes Hinrichtungen vollstreckt. Auf einem anderen Hügel soll sich der Legende nach der Heilige Meinrad zuerst niedergelassen haben, bevor er weiter an den Ort des heutigen Klosters zog: Er wollte seine Ruhe von Leuten haben, die ihn wiederholt um Rat aufsuchten. So ging er ein Stück in den Wald hinein, auf das heutige Abteigelände. 😊


Gangulfkapelle nahe dem Kloster

Wettertechnisch ist es im Moment unbeständig: Der Schnee ist abgetaut und es wechseln sich frühlingshafte Sonnentage und regnerische ab. Tendenziell wird es aber wärmer: Die Vogelaktivität nimmt zu, lustigerweise auch in der Kirche, wo sich ein Vögelchen hinein verirrt hat. Das Stundengebet wird momentan ab und an um ein „Zwitschersolo“ bereichert, was mir sowie dem ein oder anderen Mönch schon mal ein Lächeln auf den Mund zaubert.

Kaum glauben kann ich, dass es nun schon vier Wochen sein sollen, die ich im Kloster verbracht habe. Es fühlt sich eher an wie anderthalb Wochen.

Nun zum „zweiten Teil“ des heutigen Klosterblogeintrages, den Motiven und Berufungsgeschichten der Mönche. Bis jetzt hatte ich noch nicht Gelegenheit, mit allen Mönchen, vor allem den älteren, über dieses Thema zu sprechen, deshalb vorweg im Allgemeinen:

Es gibt jene Gruppe von Mönchen, die schon als Stiftsschüler hier zur Schule gingen und dann entweder direkt oder nach ein paar Jahren Studium ins Kloster eingetreten sind. Zu dieser Gruppe zählt zum Beispiel Pater Thomas, der nach seiner Matura ein Bachelorstudium Latein und Geschichte absolvierte und danach ins Kloster eintrat. Als „Geschichtsliebhaber“ hat er sich später näher mit dem dunklen Kapitel der Klostergeschichte vom Übergang des Barock in die napoleonische Zeit befasst.

Dann gibt es eine andere Gruppe von Mönchen, die von weiter her „ihren Weg“ nach Einsiedeln gefunden haben: Vielleicht waren sie einmal zufällig als Gast hier oder aber kamen sie gezielt von weiter her, um eine Wallfahrt zur Mutter Gottes, zu Meinrad oder Benno zu machen. Zu dieser Gruppe gehört beispielsweise Bruder Francisco, gebürtiger Niederländer und aufgewachsen im Oberammergau, der mehr durch Zufall zum Besuch des Klosters kam, als dass dies geplant gewesen wäre. Wie er berichtet, musste er, nachdem die Kantonalstraße gesperrt worden war, eine Umleitung nehmen und stieß auf ein Schild mit „Kloster Einsiedeln“. In den folgenden Jahren kam er immer wieder als Gast ins Kloster, bis er entschied, dass diese Weise zu leben sich für ihn richtig anfühlte und er blieb.

Noch einen konkreten „Berufungsweg“ möchte ich euch darlegen. Oh Wunder, auch diesmal von Bruder Alexander. Ich glaube, es liegt an seiner kommunikativen Art, die ihn als Pförtner auszeichnet, dass wir schon öfter gesprochen haben…

Pförtner Bruder Alexander

Jedenfalls erzählt Bruder Alexander, geboren und aufgewachsen am Hochrhein, wie er als junger Mann unschlüssig ist, was er mit seinem Leben anfangen soll, woraufhin er sich entschließt, mit diesem Anliegen nach Altötting zu pilgern. Versunken im Gebet vor dem Schrein des Heiligen Konrad fühlt er sich angesprochen: „Geh nach Einsiedeln und werde dort Pförtner“. Alexander macht sich also auf und da ist er heute: In Einsiedeln an der Pforte, ganz Ohr für die Anliegen derer, die anklopfen. Witzigerweise ist der Heilige Konrad zugleich Patron der Pförtner…

Soweit meine Eindrücke für heute! Ich wünsche euch allen von Herzen eine gute neue Woche!

Bleibt behütet!

Raphael

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