Woche 5: Dem Himmel nahe
Woher
kommt mir Hilfe?
Hilfe
kommt mir vom Herrn,
der Himmel und Erde gemacht hat.“ (Ps 121)
Liebe Leserin, lieber Leser,
herzlich willkommen zurück auf dem
Blog. Heute möchte ich neben meinen allwöchentlichen Eindrücken etwas zum Thema
Berge als Orte der Begegnung mit Gott schreiben.
Zuallererst
war es eine recht triviale aber auch abwechslungsreiche Woche, die ich erlebt
habe. Kurz bevor ich den Blog letzten Sonntag fertiggestellt habe, ist ein
schweizer Freund zu Besuch gekommen, den ich 2021 auf dem französischen
Jakobsweg kennengelernt habe. Gemeinsam haben wir das Wochenende verbracht. Ich
habe ihm die Klosteranlagen gezeigt und wir waren wandern. Dabei entstand
obiges Foto auf dem Fryherrenberg. Zu sehen ist das Bergmassiv der
Glarner Alpen und des Glärnisch, auf dem noch Schnee liegt.
Blick vom Fryherrenberg
Am Montag ging´s zurück an die Arbeit: Ich habe vormittags in der Schreinerei gearbeitet und die Zeit am Nachmittag mit der Lektüre und dem Schreiben von Texten zu St. Wolfgang verbracht. Einen Fokus habe ich dabei auf Wolfgangs Zeit in Einsiedeln von 966 bis 971 gelegt – scheint diese Zeitspanne für das Kloster doch am Interessantesten. Aufgefallen ist mir dabei, wie anders die Umgebung und das Kloster in der Zeit kurz nach dessen Gründung 934 gewesen sein muss. In einem der Bücher ist die Rede vom „Finsterwald“, dichtem Nadelwald oberhalb des Zürichsees, der weite Teile der alpinen Landschaft damals bedeckte. Ich stelle es mir als Wildnis vor: Das Kloster war wie eine Insel umgeben von Urwald. Dazu war es früher deutlich kälter hier oben. Schnee bis zum Sommeranfang dürfte nichts Ungewöhnliches gewesen sein. Ein wenig hört sich das nach Hänsel und Gretel an: Die Gründer verloren sich in den Tiefen des Waldes. Wolfgang, so heißt es, wählte ganz bewusst diesen Ort, um dem Trubel der Welt zu entfliehen.Die
Wallfahrt mit Pilgern und Gästen, die Kultur- und Weidelandschaft kamen erst
viel später. So gesehen waren die Benediktiner wie andere monastische Orden
(Zisterzienser und Trappisten) echte Pioniere. Sie ließen sich bevorzugt in
unbesiedelten und unerschlossenen Gebieten nieder – Benediktiner gerne im
Bergigen, Zisterzienser in sumpfigen Tälern –, womit wir beim Thema wären, über
das ich heute schreiben will.
Die
Wüstenerfahrung ist das, was die Mönche damals in abgeschiedener Umgebung
suchten und fanden, unterstützt doch der Gang in die äußere Wüste den in die
innere. Das Errichten des Klosters auf einem Berg oder einer Anhöhe wie in
Einsiedeln „entgrenzt“ den Blick und lässt ihn in die Weite schweifen. Das ist
der „kontemplativen“, also betrachtenden Lebensweise förderlich. In einer
solchen Umgebung zeigt sich gleichzeitig die Zerbrechlichkeit (Eiswüste) und
Erhabenheit (Blick auf die Berge) alles Geschaffenen. Das macht sie zu einer,
in der existenzielle Erfahrung möglicher erscheint: Allem Sein auf den Grund zu
gehen und nachzuvollziehen, was „Ich bin“, „Du bist“ und „Wir sind“ bedeutet. Gott
sagt ja von sich selber: „Ich bin, der ich bin“ (vgl. Ex 3,14).
Die
Annäherung an Gott soll durch die Fokussierung auf das Wesentliche im Wechsel
von Beten und Arbeiten erreicht werden. Durch die Absolutsetzung Gottes im
Leben des Mönchs wird anderes relativiert. Der Einzelne gewinnt einen Überblick
wie die Anhöhe sie ihm über die Umgebung gewährt. Weitblick und Gottesschau
sind miteinander verbunden. Das lässt das antike Wort Tempel erahnen,
das ursprünglich eine Bretterhütte zur Beobachtung des Vogelflugs bezeichnet
und heute bekanntlich das Gotteshaus.
In der
Bibel ist der Berg bevorzugter Ort der Gottesbegegnung und -erscheinung.
Beispielsweise empfängt Mose die Gesetzestafeln auf dem Berg Sinai (Ex 24).
Jesus wird auf dem Berg Tabor verklärt (Lk 9) und betet in Einsamkeit auf dem
Ölberg (Lk 22). Auf Bergen berühren sich Himmel und Erde. Das scheint eine traditionsreiche
Überzeugung zu sein. Hier oben können wir Gott ein Stück näherkommen, dachten
sich die Mönche und nahmen folgenden Ausspruch beim Wort:
„Geht
hinauf ins Gebirge und holt Holz und baut das Haus, dann will ich Wohlgefallen
daran haben und mich in meiner Herrlichkeit zeigen!“ (Haggai 1,8)
Heute ist Palmsonntag. An diesem
Tag erinnern wir Christen uns an den Einzug Jesu in Jerusalem, der von den
Juden feierlich mit Palmwedeln und -zweigen begrüßt wurde. Der prächtig
ausgeschmückte Gottesdienst markiert den Beginn der Heiligen Woche, in der wir
Jesu Leiden, Tod und Auferstehung gedenken. Auf Golgotha, der „Schädelhöhe“,
stirbt Jesus, um drei Tage später aufzuerstehen, so der Glaube der Christen.
Das „scheinbare“ Ende ist die Erhöhung Jesu am Kreuz. Selber prophezeit er: „Und
ich, wenn ich erhöht werde von der Erde, so will ich alle zu mir ziehen.“ (Joh
12,32) Im Hintergrund schimmert hier wieder das „Bergmotiv“ durch.
Ich freue mich nun, die Heilige
Woche in Einsiedeln zu verbringen und mitfeiern zu können. Viele Menschen aus
aller Herren Länder werden anreisen, um der Liturgie und den Feierlichkeiten beizuwohnen.
Ich bin sehr gespannt, wie diese Zeit im Kloster verlaufen wird. Dafür halte ich
euch weiter auf dem Laufenden. Besucht auch ihr den Gottesdienst an den
Feiertagen und gegebenenfalls wo? Das würde mich interessieren. Schreibt es
gerne in den Kommentar.
Bleibt derweil
behütet und bis nächste Woche!
Herzlich
Raphael
Kommentare
Kommentar veröffentlichen