Woche 14: Fleury, Ort romanischer Schön- und Einfachheit

Liebe Leserin, lieber Leser,

diese Zeilen schreibe ich heute, einen Tag nach meiner Ankunft in der Benediktinerabtei Fleury an der Loire nahe Orleans. Viele Eindrücke konnte ich noch nicht sammeln, aber durchaus einen ersten Eindruck von Kloster, Mönchen und der Umgebung gewinnen:

Als ich gestern nach circa zehnstündiger Reise an der imposanten römischen und derzeit eingerüsteten Basilika ankam – das Dach wird derzeit restauriert, wurde ich zunächst einmal vertröstet: Die Mönche seien gerade beim Abendgebet, der Vesper, in der Kirche. Ein kurzer Blick hinter die Eingangstüre bestätigte diese Aussage und so wartete ich einen kurzen Moment. Wenig später hat mich Frater Xavier an der Gästepforte herzlich in Empfang genommen und mir mein Zimmer und die wichtigsten Räumlichkeiten für die kommenden zehn Wochen gezeigt. Ich habe ihm daraufhin einen Brief von Abt Urban von Einsiedeln zusammen mit einem Geschenk, einem Einsiedler Birnenbrot, überreicht. Kurze Zeit später ging es schon zum Abendessen um 19.00 Uhr ins Refektorium. Zusammen mit anderen männlichen Gästen habe ich dort gespeist. Die Räumlichkeiten und Mahlzeiten sind sehr einfach gehalten: Die Anbauten neben der Basilika verstrahlen den Charm der sechziger und siebziger Jahre; abends gab es nur ein wenig Gemüse mit Baguette. Es ist anders als in Einsiedeln: Während ich mich freue, dass das Wetter hier deutlich milder und wärmer zu sein scheint, ist dies wohl tatsächlich ein materiell „armes“ Kloster ohne großen Luxus. Die französische Revolution und der Laizismus gingen an der Abtei nicht spurlos vorüber: Unmittelbar nach der Revolution mussten die Mönche fliehen. 1905 nach Inkrafttreten des laicite-Gesetzes verließen sie erneut das Kloster und kamen erst gegen Ende des zweiten Weltkrieges zurück, um die Abtei wieder zu besiedeln. Bis zu seiner ersten Auflösung war Fleury eine wichtige Abtei, denn der Legende nach wurden die Gebeine des Heiligen Benedikt von Monte Cassino hierher überführt. Diese liegen in der Krypta unter der Kirche, welche ich mir heute näher ansehen werde. Am selben Tag ging ich abends früh ins Bett, denn in den kommenden Wochen werde ich nun immer bereits um 6.00 Uhr aufstehen. Dies ist die Aufstehuhrzeit aller Mönche und im Vergleich zu den Einsiedler Mönchen humaner – diese stehen um fünf Uhr auf. Für mich ist es aber eine kleine Umstellung, nun jeden Tag eine halbe Stunde früher aufzustehen. Gestern Abend fand in der Basilika außerdem ein Gospelkonzert statt und ich saß mit den Mönchen im Kapitel zusammen, um mich vorzustellen. Abt Matthieu hieß mich im Namen der Gemeinschaft herzlich willkommen.


Gospelchorkonzert gestern Abend

Die Kommunikation erfolgt im Moment noch in einer Mischung aus Französisch und Englisch, aber in den kommenden Wochen werde ich – anders als in Einsiedeln – vormittags mehr Zeit finden, um zu lesen, zu lernen und zu üben. In Einsiedeln gibt es vormittags und nachmittags eine feste Arbeitszeit, hier nur eine längere Arbeitszeit am Nachmittag, voraussichtlich zwischen 14.00 und 18.00 Uhr. Frater Xavier spricht glücklicherweise gutes Englisch und ein bisschen Deutsch. Das Gespräch mit älteren Brüdern und Patres, die nur Französisch sprechen, bleibt aber schwer und es ist manchmal ein wenig peinlich, weil ich viele Fehler mache. Sei´s drum: „apprentissange la pratique“ – „Learning by doing“ ist nun meine Einstellung. Ich weiß zumindest, was ich in jeder freien Minute tun kann: Mein Französisch verbessern! So wird mir an diesem beschaulichen Ort immerhin nie langweilig! 😉

Mittelschiff der Basilika mit Blick auf Chor und Apsis.

Basilika mit Gerüst von außen. Sieht fast aus wie eine Kunstaktion von Christo :)

Kreuzgang mit Blick auf die Basilika

Ich wünsche euch allen Gottes Geist und eine gute Woche!

Herzlich!

Raphael

Kommentare

Beliebte Posts aus diesem Blog

Herzlich willkommen!

Woche 2: Aus Zauber wird Routine

Woche 3: Die monastische Lebensweise